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Leben an Bord - Janine erzählt von ihrer Zeit auf der AIDA

Für viele von uns ist es ein Traum: Das Reisen und das Arbeiten miteinander verbinden. Janine hat sich diesen Traum für eine ganze Zeit lang erfüllt. Sie reiste für viele Monate mit der AIDA um die Welt. Ich habe mich mit ihr unterhalten, über das Arbeiten auf einem Kreuzfahrtschiff, über die Orte, die sie am meisten überrascht haben und über das, was sie während ihrer Zeit an Bord vermisst hat.

 

Janine, du warst TV-Redakteruin in Hamburg, wie bist du letztlich auf’s Schiff gekommen?

Ich wollte schon immer Reisen und Arbeiten miteinander verbinden. Habe mich aber nie auf einer Plantage in Australien gesehen, auf der ich riesigen Spinnen begegnen könnte. Und dann habe ich im Urlaub einen Windsurfschein gemacht und meine Lehrerin hat für AIDA gearbeitet. Sie erzählte mir, dass es dort ganze TV-Studios gibt und auch Redakteur:innen gesucht werden. Nach dem Urlaub habe ich mich direkt beworben und bin ein paar Monate später an Bord gegangen.

Hast du deine Wohnung in der Zeit untervermietet? Das Auto verkauft und das Fahrrad verliehen?

Ich habe in einer WG gelebt und habe mein Zimmer für die vier Monate an Bord immer untervermietet. Ein Auto habe und hatte ich nicht und mein Fahrrad wurde mir geklaut…

Du warst aber länger als vier Monate an Bord?

Ja, die Verträge laufen immer vier Monate. Anschließend ist man einige Wochen zu Hause oder privat auf Reisen, bis der nächste Vertrag beginnt.

 

Angefangen hast du als Bordredakteurin. Was waren deine Aufgaben?

Offiziell heißt es Redakteur Bordmedien. 😉 Es kommt tatsächlich darauf an, auf welcher Schiffsklasse du unterwegs bist. Die Schiffe von AIDA sind unterschiedlich groß. Es gibt „kleine“, mittlere, große und ganz große. Je größer das Schiff, desto mehr Gäste. Ich habe auf einem kleinen gestartet und wurde so ziemlich ins kalte Wasser geworfen. Dort war ich komplett auf mich allein gestellt. Es gibt beispielsweise eine Bordzeitung, die täglich erscheint. Die habe ich gestaltet, mit Inhalt gefüllt und gedruckt. In meinem Büro standen zwei große Drucker und eine Faltmaschine, die ordentlich krach gemacht hat. Außerdem gibt es Ausflugsflyer, Aufsteller, Menü-Karten etc. pp. die erstellt und gedruckt werden müssen. Und auf dem Schiff verteilt hängen große Bildschirme, über die zusätzlich die wichtigsten Informationen für die Passagiere kommuniziert werden. Tagesprogramm, Liegezeiten, Ausflugstipps, Restaurantöffnungszeiten, Reiseangebote und so weiter. Die habe ich mit Infos gefüttert und gepflegt.

 

Das klingt nach viel Arbeit für einen allein. Die schein ist du aber gut gemacht zu haben, denn du bist ziemlich schnell zum Media Manager aufgestiegen. Kannst du etwas über die Quote von Frauen und Männern in solchen „Spitzen“-Positionen an Bord sagen?

Puh, ganz schwer zu sagen. Aber ich hatte tatsächlich das Gefühl, dass im Durschnitt Männer und Frauen ähnlich verteilt waren in den Führungs-Positionen. Allerdings macht es da noch einen Unterschied, in welcher Abteilung du arbeitest. Restaurantleitung, F&B-Manager, Hotel Manager und General Manager beispielsweise waren doch eher zu 90 Prozent männlich. Die Manager Positionen in der Galerie, im Spa, Shop oder Tour-Bereich waren relativ ausgeglichen besetzt. Ich kenne da aber leider keine fixen Zahlen.

 

Was fiel als Media Manager alles in deinen Aufgabenbereich?

Als Media Manager war ich Leiterin des Media-Teams, das auf den größeren Schiffen aus mindestens dem Redakteur Bordmedien und den vier TV-Operators besteht. Ich habe die Bildschirme bespielt, eine eigene Talk-Late-Night-Show geplant und mit dem Team umgesetzt. Mein Chef, der Entertainment Manager, hat die Sendung moderiert, und ich habe die Inhalte geplant, den Redaktionsplan erstellt, alles mit den Technikern besprochen und die Requisiten organisiert. Außerdem haben wir mit den Gästen einmal pro Reise "Wer wird Millionär" gespielt. Da hat AIDA tatsächlich die Rechte dran und ich habe die Fragenkataloge erstellt. Als Führungsposition habe ich Mitarbeitergespräche geführt, Beurteilungen geschrieben und geschaut, dass im Team alles rundläuft.

 

Du hattest durch diese höhere Position sicher auch Vorteile, oder? Welche waren das?

Die hatte ich tatsächlich. Ich hatte eine eigene Kabine mit Bullauge und habe mir nur mit einer Person das Bad teilen müssen. Ich hatte Zugang zur Offiziersmesse, also einer Kantine nur für Offiziere. Durfte auch immer in den Restaurants für die Gäste essen – natürlich nur, wenn dort nicht gerade Hochkonjunktur war. Ich musste nicht mehr zur Wäscherei gehen und meine Uniform dort abgeben. Ich konnte sie an meine Tür hängen, dann wurde sie abgeholt, gereinigt und wieder zurückgebracht. Und einmal die Woche wurde meine Kabine gereinigt. Als einfacher Redakteur kam ich nicht in den Genuss dieser Vorzüge. Unsere Kabine, die ich mir mit einer Kollegin geteilt habe, lag unter Decks und hatte kein Fenster. Das hat mir schon manchmal zu schaffen gemacht.

 

Aber, als Offizier hat man nicht nur mehr Rechte sondern auch mehr Pflichten. Die Gäste sehen die Crew gerne in der Offiziersuniform. Deswegen gibt es immer wieder Aktionen mit den Offizieren: Offiziers-Shaken (da mussten die Offiziere Cocktails shaken für die Gäste), Begrüßung der Gäste an der Pier mit Cocktails, Teilnahme am Offiziers-Shanty-Chor, Essen ausgeben auf dem Pooldeck bei 40 Grad im Schatten mit langer Hose, Turnschuhen und Uniform und vieles mehr. Und das eben zusätzlich zur „normalen“ Arbeit.

 

 

Du hast oft die Chance genutzt an Land zu gehen und dadurch einiges gesehen von der Welt. Erzähl mal, wo warst du überall mit dem Schiff? 

Ohja, das habe ich. Mein Spitzname war „Freizeit Media Manager“. Das war meistens nur so halb im Scherz gemeint. Ich konnte darüber nur müde lächeln. Ich war schließlich an Bord, um etwas von der Welt zu sehen. Die anderen Offiziere haben von 13-16 Uhr geschlafen, ich bin lieber von Bord. Ich war in New York, Montreal, auf den Bahamas, auf den ABC-Inseln, in Cartagena/ Kolumbien, Costa Rica, Antigua, Jamaika, Island, Grönland, Norwegen, St. Petersburg, Helsinki, Stockholm, Danzig, auf den Shetlandinseln und und und.

Welcher Ort hat dich am meisten überrascht und gehört deiner Meinung nach auf jede Bucketlist?

Puh, das finde ich immer so so schwer zu sagen, weil einfach jeder Ort so besonders ist. Grönland mit der Karibik zu vergleichen ist einfach unmöglich.

Aber bei diesen Orten weiß man auch, dass sie atemberaubend sind. Was mich tatsächlich am meisten überrascht hat ist die Ostsee. Die Sonnenuntergänge auf der Ostsee sind wirklich einmalig. Und die Städte Tallinn, Riga und Danzig haben mich wirklich umgehauen. Ok, ich entscheide mich für Tallinn. Eine traumhaft schöne alte Hansestadt, in der man sich zurückgesetzt fühlt ins Mittelalter. Und von dort aus kann man super schöne Radtouren ins Grüne machen. 

 

Und was hat dich eher enttäuscht?

Martinique. Aber ich glaube auch, weil ich dort nie so wirklich Zeit hatte die Insel zu erkunden. Ich habe dort meist einfach nur das europäische Netz genutzt, um ins Internet zu kommen. An Bord gibt es leider nur sehr langsames und teures Internet. Nicht nur für Gäste, auch für die Crew.

 

Was macht das Leben an Bord für dich aus?

Die Crew. Der Zusammenhalt untereinander. Alle sitzen ja wirklich im selben Boot und geben ihr bestes den Gästen eine unvergessliche Reise zu ermöglichen. In der Crew-Messe (der Kantine) gibt es immer ein indisches und philippinisches Gericht, neben den beiden Hauptgerichten des Tages. Dort habe ich mich auch immer sehr gerne durch die Kulinarik der anderen Crew-Mitglieder probiert. Und natürlich die Abwechslung. Jeder Tag ist anders, die Zeit vergeht irgendwie anders als an Land. Ein Tag fühlt sich an wie eine Woche, weil man einfach so viel erlebt. Und trotzdem rast die Zeit. Eben ist man aufgestiegen und schon sitzt man im Flieger nach Hause.

 

Wie sieht das mit den Arbeitszeiten aus? Sind die geregelt, oder bist du rund um die Uhr für die Gäste ansprechbar?

Natürlich gibt es auch an Bord Arbeitszeitengesetzte, an die man sich halten muss. Man darf die 14 Stunden am Tag nicht überschreiten und muss eine Mindestruhezeit von zehn Stunden einhalten. Man darf die zehn Stunden auch auf zwei Pausen aufteilen. Es müssen aber mindestens sechs Stunden am Stück sein. Aber, bei den Arbeitszeiten kann man natürlich auch tricksen. Sich einfach früher aus dem System ausloggen und weiterarbeiten. Manche Kollegen mussten das regelmäßiger machen, andere weniger. Kommt darauf an in welchem Department man arbeitet. Generell gilt aber: Wenn du im Gästebereich unterwegs bist als Crew, egal ob on oder off duty, bist du für die Gäste Ansprechpartner.

 

Du bekommst keinen deutschen Arbeitsvertrag, wenn du an Bord eines Kreuzfahrtschiffes arbeitest. In deinem Fall, wurdest du steuerlich in Italien geführt. So zahlst du in dieser Zeit aber auch nicht in die Rentenversicherung ein, oder? Was sind also die Vor- und die Nachteile dieses Systems?

Oh Gott, da muss ich echt ein bisschen drüber nachdenken. Gut, dass mein Opa das nicht weiß. Da wäre ich einen Kopf kürzer… Also ich weiß, wenn man mehrere Jahre an Bord gearbeitet hat, hat man einen Anspruch auf Rente aus Italien. Auch, wenn man dann wieder in Deutschland arbeitet. Da Italien in der EU ist, wird mir die Zeit auf jeden Fall angerechnet. Es besteht ja in der EU das Recht auf Freizügigkeit. Man darf dort arbeiten wo man möchte. Und eines der Grundsätze der EU ist: Die in allen Mitgliedstaaten zurückgelegten Versicherungszeiten der Rentenversicherung werden für die Leistungsansprüche zusammengerechnet. Wie genau die das verrechnen weiß ich nicht, ob sich Deutschland meine Zahlungen einfach aus Italien wieder holt oder ob sich das irgendwie ausgleicht. Keine Ahnung. Aber, um ehrlich zu sein, verlasse ich mich eh nicht auf das gesetzliche Rentensystem. Wenn ich mal Rente bekomme ist der Topf sowieso leer. Deswegen habe ich mir darüber auch nicht den Kopf zerbrochen.

Ich musste mein Einkommen auch nicht doppelt versteuern. Der Nachweis, dass ich in Italien Steuern gezahlt habe, hat ausgereicht. 

 

Ein Vorteil ist natürlich gewesen, dass ich insgesamt deutlich weniger Steuern gezahlt habe in der Zeit, weil es in Italien nicht viele Sozialabgaben gibt und der Soli weggefallen ist beispielsweise. Deswegen hatte ich deutlich mehr netto Einkommen als in Deutschland.  

 

So ein Kreuzfahrtschiff ist eine enorme Umweltsünde, hast du während deiner Zeit auf dem Schiff je darüber nachgedacht? Spielte das für dich irgendeine Rolle?

Ich habe diesen Gedanken regelmäßig von mir weggeschoben. Urlaub an Bord kommt für mich beispielsweise nicht in Frage. Das habe ich zwar in meiner Zeit als Crew-Mitglied gemacht, aber vor allem, weil ich die andere Seite auch mal erleben wollte um meine Arbeit zu verbessern. Und man redet sich das natürlich auch schön. „Es sind so viele Leute hier an Bord, der CO2-Fußabdruck pro Person ist dann ja gar nicht mehr soooo groß.“ Wie man das eben so macht. Es gibt an Bord sogar einen Environmental Officer, der darauf schaut, dass sich an alle Umweltschutzregeln gehalten wird (es darf nichts von Bord geworfen werden, Mülltrennung, wo welcher Müll wie von Bord kommt etc.). Aber bei der Menge an Druckwerken, die täglich durch die Drucker gejagt wurden, ist mir manchmal schon schlecht geworden.

 

Du hast zwei Jahre auf drei unterschiedlichen Schiffen der AIDA gearbeitet und bist sieben verschiedene Routen gefahren. Woran hast du gemerkt, dass es Zeit für dich war, wieder von Bord zu gehen?

Ich konnte mich jobtechnischer nicht mehr weiterentwickeln. Der nächste Schritt auf der Karriereleiter wäre Entertainment Managerin gewesen. Da wäre ich das Gesicht des Schiffs geworden, hätte auf die Bühne gemusst, Verantwortung für das gesamte Entertainment Department mit rund 60 Personen gehabt. Hätte abends nicht mehr einfach in die CrewBar gekonnt, weil das einfach nicht gerne gesehen ist. Hätte nicht mehr so oft rausgekonnt. Das wäre mir zu viel Verantwortung und zu wenig Reisen gewesen. Außerdem habe ich gemerkt, dass ich langsam den Bezug zur „richtigen“ Welt verliere. 

 

Was meinst du damit?

Ich wollte wieder meine Freundschaften an Land pflegen, regelmäßig meine Familie besuchen und meine Karriere vorantreiben. Freunde und Familie, das hat mir nach einiger Zeit auf dem Schiff dann doch gefehlt.

 

Hand aufs Herz: Was war dein persönlicher Gänsehautmoment? Was war dein Once-in-a-lifetime-Erlebnis in deiner Zeit auf dem Schiff?

Ich stehe an Bord, wir fahren durch die Diskobucht in Grönland, um uns herum schwimmen Eisberge. Ich höre, wie es in den Eisbergen arbeitet. Es knarzt und kracht. In der Ferne höre ich, wie sich Eis von einem Gletscher löst und krachend ins Meer fällt. Dann taucht zwischen den Eisbergen ein Wal auf. Ich starre einfach nur aufs Meer und bin völlig verzaubert.

Warst du in der ganzen Zeit mal seekrank? Was hilft dagegen?

War ich tatsächlich nicht, obwohl es das ein oder andere Mal wirklich die Gelegenheit dazu gab. Ich bin nur echt müde geworden von dem Seegang und irgendwann auch genervt, weil ich im Gang von links nach rechts geworfen wurde. Anderen ging es da deutlich schlechter. Was ich immer wieder sagen kann: Essen! Auch, wenn es einem übel ist. Der Magen braucht etwas zu tun. Bitte bitte esst was, wenn ihr seekrank seid.

 

Wie viele Seemeilen hast du auf dem Konto?

Uh, das kann ich dir tatsächlich ziemlich genau sagen. Ich habe nämlich ein Logbuch geführt. Dort habe ich die Routen eingetragen mit den dazugehörigen Seemeilen. Es sind 114.112 Seemeilen.

 

Was fehlt dir am meisten, wenn du an das Leben an Bord zurückdenkst?

Abends einschlafen und am nächsten Tag an einem neuen bezaubernden Ort aufwachen.

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