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Friederike - Wie wird man Chefredakteurin mit 25?

Ich habe viele Frauen in meinem Umfeld, die mich inspirieren. Zu ihnen zählt auch Rike. Chefredakteurin eines Norddeutschland Magazins, Mutter zweier Kinder, nahezu Vollzeit-Projekt Managerin und mit Laib und Seele Netzwerkerin. Das alles und noch viel, viel mehr ist Rike. Wäre das Wort nicht so daneben, ich würde sie als Powerfrau bezeichnen, aber von einem Mann, der all das in sich vereint, spreche ich ja auch nicht als Powermann. Um also bei Rike zu bleiben: Sie scheint es hinzukriegen, das, wonach so viele streben, das Vereinen von Familie und Beruf, von Kind und Karriere. Und immer bleibt sie dabei authentisch. Ich wollte gerne wissen, wie sie das macht und ob sie für uns andere ein paar Tipps an der Hand hat.

 

Wenn ich so auf dein Leben schaue, auf das, was du beruflich tust und was dich privat umtreibt, dann drängt sich mir eine Frage ganz besonders auf: Wann schläfst du?

(lacht) Ich schlafe eigentlich zu ganz „geregelten Zeiten“. Ich gehe zwischen 22 und 23 Uhr ins Bett und um 6 Uhr klingelt dann morgens der Wecker. Klar, als die Kinder noch kleiner waren, waren es dann manchmal keine „durchgeschlafenen“ Nächte, aber ich hatte mit beiden Jungs ziemlich viel Glück und gute Schläfer. Kurz vor Druckabgabe des Magazins oder in „heißen“ Projektphasen muss ich manchmal auch abends noch am Laptop sitzen, und dann wird die Nacht ein bisschen kürzer, aber das hält sich sehr in Grenzen. Mein Schlaf ist mir heilig, und ich weiß einfach wie wichtig er ist, damit ich überhaupt so funktioniere, wie ich funktioniere.

Du bist mit 25 Jahren Chefredakteurin des noordish Magazin, ehemals Le Deluxe Hamburg. Für eine solche Position ist das  leider  sehr jung, was natürlich keinesfalls weniger gut qualifiziert als andere bedeutet. Wie kommt Frau an solch einen Job?

Ich hatte das Glück, du merkst, vieles hat bei mir mit Glück zu tun, dass Maurice Henin, der vorher bei einem anderen Magazin mein Kollege war, ein eigenes Magazin rausbringen wollte und mich und meine Arbeitsweise schon gut kannte. Ich glaube er wollte mir einfach diese Chance geben und hat an mich geglaubt. Jetzt sind wir seit fast neun Jahren und 30 Ausgaben ein Team – also scheint es die richtige Entscheidung gewesen zu sein. 

 

Aber wie Frau im Allgemeinen an so einen Job kommt? Mit Spaß und Ausdauer. Ich habe immer extrem viel Spaß an meinem Job gehabt und daher leidenschaftlich viel Ausdauer. Also bin ich auch mal eine Extrameile gegangen, ohne das es sich so angefühlt hat und wenn es sich doch mal so angefühlt hat, war es mir das eben wert.

Wusstest du schon immer, wo es für dich im Leben hingehen soll?

Nein, überhaupt nicht. Wie viele, bin auch ich nach der Schule ein Jahr ins Ausland gegangen in der Hoffnung, danach zu wissen was ich werden will. Natürlich wusste ich es danach auch nicht und habe dann erstmal was „mit Medien“ studiert (Medienwirtschaft), weil mir ein Praktikum in einer PR Agentur irgendwie Spaß gemacht hatte und ich dachte, es könnte einen Versuch wert sein. Das Bachelorstudium hat dann irgendwie den Weg für alles Weitere geebnet. Habe dann erstmal in einem Verlag im Marketing gearbeitet, dann noch nebenberuflich meinen Master in Wirtschaftspsychologie (weil ich dachte, nochmal was mit Medien macht keinen Sinn). Aber um ehrlich zu sein, habe ich immer noch keinen Plan wohin es im Leben für mich gehen soll. Es ergibt sich einfach immer alles und ich lebe eher nach dem Motto „Es kommt eh immer anders als man denkt/plant“.

 

Bist du auch mal Umwege gegangen? Welche waren das?

Umwege bin ich nur privat gegangen, beruflich irgendwie nie. Da gab es immer einen roten Faden, der mir sicherlich auch in noch so stürmischen privaten Zeiten immer einen gewissen Halt gegeben hat.

 

Gibt es Frauen, die dich inspirieren? Nenne uns doch mal ein paar und gerne auch die Gründe, was sie als Inspirationsquellen für dich ausmachen. 

Ich habe viele Frauen in meinem direkten Umfeld die mich inspirieren, gar nicht irgendeine Celebrity, die ich nicht persönlich kenne. Freundinnen inspirieren mich, wenn sie Lebensentscheidungen treffen, wenn sie Dinge anders angehen, als ich es vermeintlich tun würde oder ein Leben wählen, das ich mich nie trauen würde zu leben. Sie inspirieren mich regelmäßig mein eigenes Leben(-smodell) zu reflektieren und dafür bin ich wahnsinnig dankbar.

 

Was wäre das für ein Leben? Welches Lebensmodell findest du spannend oder interessant, würdest dich selbst aber nicht trauen, es zu leben? 

 

Mich "nicht trauen" ist vielleicht etwas krass ausgedrückt, aber dadurch, dass ich für heutige Verhältnisse recht jung Mutter geworden bin, habe ich natürlich auch recht früh die Weichen für die nächsten Jahre in eine bestimmte Richtung gestellt. Ich bin nicht so flexibel, ich treffe Entscheidungen nicht nur für mich alleine, und ich habe eine Verantwortung für meine Kinder. 

Ich bewundere vor allem Freundinnen, die bewusst die Sicherheit einer Festanstellung aufgegeben haben, um ihren Traum zu leben. Sich selbständig machen, eine längere Auszeit nehmen und/ oder bewusst auf einen nächsten Karrieresprung (und damit mehr Gehalt) verzichten, weil ihnen ihre Lebensqualität wichtiger ist. Ich bin ein ziemlich ehrgeiziger und sicherheitsbedürftiger Mensch, so dass mir sowas extrem schwerfallen würde, aber ich arbeite diesbezüglich momentan sehr an mir – mehr das Hier und Jetzt zu genießen und auch nicht jede berufliche Chance direkt zu ergreifen. Diesbezüglich sind die Kinder u.a. auch das Beste was mir passieren konnte. Sie erden mich, sie zwingen mich Inne zu halten, ansonsten wäre mein Leben eine einzige Rushhour und ich hätte wahrscheinlich längst einen Burnout.

 

Ich durfte eine ganze Zeit lang mit dir zusammenarbeiten, habe dich als Kollegin sehr schätzen gelernt und dich vor allem als die perfekte Netzwerkerin erlebt. Netzwerken, scheint für dich nicht einfach ein Bereich innerhalb deines Arbeitsfeldes zu sein. Mein Eindruck war: Du lebst und liebst es! Was fasziniert dich so daran? Und auf was muss Frau achten, wenn sie sich ein gut funktionierendes Netzwerk aufbauen will?

Ja, Netzwerken ist gefühlt mein Lebenselixier. Das kann manchmal auch anstrengend sein, weil ich mich vor lauter Netzwerken selbst vergesse. Aber ich liebe es einfach, mich mit unterschiedlichsten Menschen auszutauschen und noch mehr, sie miteinander zu „vernetzen“. Ich habe über die Jahre ein ganz gutes Bauchgefühl dafür entwickelt, wer mit wem ein „Match“ ergeben könnte. Es macht so große Freude zu sehen, wenn dann aus einem dieser „Matches“ ein tolles Projekt entsteht oder eine/r dem/der anderen helfen konnte. Ich werde inzwischen häufig auch proaktiv gefragt, ob ich nicht XYZ für dies oder das kenne, daraus ziehe ich viel Bestätigung.

Um sich ein gutes Netzwerk aufzubauen muss man in aller erster Linie Spaß daran haben. Es darf einem einfach nicht schwer fallen auf Leute zuzugehen, zu kommunizieren und ja letzten Endes auch mal Smalltalk zu führen. Aber häufig ist dieser Smalltalk Einstieg in mehr. Dann heißt es interessiert sein, also wirklich interessiert sein. Sich Details zu der Person merken, nachzufragen usw. Wirkliches, ernstgemeintes Interesse baut stabile zwischenmenschliche Brücken.

 

Das gilt nicht nur für ein berufliches Netzwerk, sondern für jegliche Art zwischenmenschlicher Beziehungen. Wie schaffst du es, neben dem Job als Projekt Managerin und als Chefredakteurin eines Magazins, dich um zwei Kinder zu kümmern, viele private Stunden mit dem Netzwerken zu verbringen, eine intakte Beziehung zu führen und deine Freundschaften zu pflegen? Andere - und da schließe ich mich nicht aus - sind gelegentlich schon überfordert damit, Kind und Beruf ausgewogen zu handeln.

Ehrlich gestanden weiß ich es manchmal selbst nicht, und ich möchte auch nicht den Eindruck erwecken, dass ich es immer „schaffe“. Auch ich habe regelmäßig ein schlechtes Gewissen oder bin super gestresst, weil ich nur so durch den Alltag hetze. Aber es hilft meiner Meinung nach, sich Inseln zu suchen, sei es mit den Kindern, mit dem Partner oder Freunden. Gemeinsame Erlebnisse zu schaffen und sei es mal ein gemeinsamer Kinoabend auf der Couch mit Chips & Co. Und es hilft auch, einfach ehrlich zu sein und zu sagen „Ich schaffe das gerade nicht“ oder einen Termin abzusagen, wenn einfach mal wieder alles zu viel wird. Dieses "Nein sagen" muss ich immer noch lernen, aber ich merke, es fällt mit zunehmendem Alter leichter (wenigstens ein Vorteil des Älterwerdens). ;-)

 

Also kann ich diese Inseln als bewusste Auszeiten verstehen, die du dir einbaust?

So wirklich bewusst, also an einem festen Tag im Monat oder so, baue ich mir keine Auszeiten ein. Die ergeben sich eher spontan und zudem bin ich ein Mensch, der nicht unbedingt Me-Time, im Sinne von Alleine sein, braucht, sondern für mich ist auch ein Abend mit Freunden oder der samstägliche Besuch auf dem Markt mit den Kindern eine Auszeit. Aber auch dir hier jetzt diese Fragen zu beantworten und dabei zwei Tassen Kaffee zu trinken ist eine Auszeit für mich.

 

In unserer Gesellschaft wird gerade dass Mutterbild einer Supermami gelebt, einer Frau, die problemlos alles unter einen Hut bringt, eine Frau, die alles haben kann: Kinder, Karriere, Partner:in, Freunde, Zeit! Das Zauberwort, damit alles spielend ineinandergreift heißt: Vereinbarkeit! Du gibst ein sehr gelungenes Beispiel dafür, wie all das wirklich – meist – gut funktionieren kann. Schauen wir aber auf Zahlen und Statistiken, wird schnell klar, dass du eine Ausnahme zu sein scheinst, denn noch immer finden sich zu wenige Frauen mit Kindern in Positionen wie deiner. Noch immer gibt es eine Gender Pay Gap und die ist riesig. Noch immer werden Frauen nicht eingestellt, weil sie Frauen sind (eigentlich, weil sie Kinder kriegen können).Ich könnte die Liste unendlich erweitern.Wie also, muss sich deiner Meinung nach die Arbeitswelt verändern, um Frauen und Männer karrieretechnisch weiter aufeinander zuzubewegen? 

Komischerweise habe ich bisher eigentlich kaum bis gar keine Situationen erlebt, in denen ich mich benachteiligt gefühlt habe und vielleicht ist auch genau das der Schlüssel oder einfach bisher – mal wieder  nur Glück gewesen.

 

Wir als Frauen bekommen nun mal die Kinder, aber ich finde, in unserer Generation ist schon sehr stark der Wandel zu sehen. Da sind die Väter, die die Kinder genauso „mitbetreuen“, keine Seltenheit mehr (werden manchmal dafür allerdings leider noch mehr gefeiert, als wir Mütter, für die es ja genau derselbe Stress ist) und in meinem Umfeld gibt es tatsächlich immer mehr 50/50 Modelle.

Hierbei gibt es natürlich einen deutlich spürbaren Unterschied zwischen Stadt und Land.

Sicher. Ich finde – zumindest in Hamburg – das Betreuungsangebot wirklich sehr gut ausgebaut und vor allem bezahlbar. Ich konnte einfach ohne Probleme nach einem Jahr Elternzeit wieder in meinen Job zurück und habe auch beide Male wieder dieselbe Position bekommen, wie vorher. Und meine Eltern und Schwiegereltern supporten immer, wenn Not am Mann oder der Frau ist. Aber mir ist klar, dass das nicht selbstverständlich ist.

Ich glaube, es ist wichtig zu verstehen, dass wir in einer immer diverseren Arbeitswelt leben, die eben auch die Chance für ganz neue Modelle bietet und Karrierewege anders gestalten wird. Die alte Riege der klassischen Hierarchien wird altersbedingt ohnehin immer mehr aus den Unternehmen verschwinden. Es liegt an uns (Männern und Frauen!) die neuen, flexibleren Strukturen zu etablieren und uns dadurch weiter aufeinander zu zu bewegen! Meine Generation ist schon, oder wird in den nächsten Jahren, die nächste Führungskräfte-Generation, wir können und müssen daher Maßstäbe setzen. 

 

Und noch ein gutes Beispiel für mehr Selbstverständlichkeit rund um dieses Thema:

Ich verheimliche meine Kinder nicht in meinem Lebenslauf, denn für ein Unternehmen, das mich mit Kindern nicht nimmt oder anders behandelt, will ich eh nicht arbeiten. 

 

Hast du einen Tipp für Frauen  oder auch Männer  wie sie Beruf und Familie besser miteinander vereinbaren, beides in Einklang bringen können?

All die Tipps haben sich eigentlich schon in meiner Antwort auf die vorherige Frage versteckt. 1. Nicht den Anspruch haben, perfekt zu sein. 2. Hilfe einfordern und/oder annehmen. 3. Flexibel bleiben, neue Modelle ausprobieren und immer wieder den Gegebenheiten anpassen und 4. ganz wichtig: Bedürfnisse äußern und mit dem Partner/ anderen Elternteil im Gespräch bleiben. 5. Sich einen Arbeitgeber suchen, der die eigene Lebenssituation mitträgt und einen trotzdem fördert und fordert (ja, es gibt solche Unternehmen) oder sich selbständig machen!

 

Solche Sachen wie „Feste Zeiten für Me-Time einplanen" und so finde ich alles auch wichtig, funktioniert bei mir selbst aber wie gesagt nur bedingt, daher will ich es nicht schlaumeiermäßig als Ratschlag geben ;-)

 

Gab es in deinem Leben Momente, in denen du dachtest: „Ich schaffe das alles nicht!“, oder gehst du straight und unerschütterlich durch alle Höhen und Tiefen, so, wie es eben den Anschein hat?

Ich bin wohl mit einer gewissen Resilienz gesegnet. Wie ich ja schon angedeutet habe, war vor allem mein privates Leben schon sehr turbulent und so bin ich zum Beispiel schon einmal geschieden. Das war eine sehr harte Zeit, aber ich habe immer immer die Worte meiner Mutter im Ohr gehabt „Am Ende wird alles gut“. Deshalb mag ich das Zitat „Alles wird gut und wenn es nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende“ [Fernando Sabino] so gerne. 

 

Es gibt durchaus Tage und Situationen in denen ich denke „Wow, das ist jetzt gerade echt zu viel“, aber ich habe mir den Stress in 99% der Fälle selbst geschaffen. Also es liegt an mir, ob und wie ich den Stress erlebe und Raum dafür in meinem Leben lasse. Auch mein Motto in diesen Fällen: „Love it, change it or leave it“. Gelingt mir mal mehr, mal weniger gut, aber auch ich darf ja noch wachsen und an mir arbeiten.

 

Zum Abschluss eine Frage, die ich dir, als waschechter Hamburgerin einfach stellen muss: Elbe oder Alster?

Ganz klar ELBE natürlich. :-)

Fotos: 1-3 Henin Kommunikation/noordish. 4 Sarah Ploss/grossstadtklein

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